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Filmkritiken

Gran Torino

“Ever noticed how you come across somebody once in a while you shouldn’t have fucked with? – That’s me.”

Nachdem Clint Eastwood mit Million Dollar Baby eigentlich angekündigt hatte, dass dies seine letzte Rolle vor der Kamera sein sollte, hat er für seinen nächsten Film Gran Torino doch wieder die Hauptrolle übernommen. Eine gute Entscheidung, denn die Rolle des knorrigen alten Mannes ist ihm auf den Leib geschrieben: Walt Kowalski (Clint Eastwood) lebt verbittert als Witwer alleine in einem Detroiter Vorort. Seine Söhne, Schwiegertöchter und Enkel sind eher daran interessiert, was es beim Alten noch zu holen gibt als an seinem Leben. Die Zeiten sind schlecht und die einst gutsituierte Wohngegend verkommt. Für Kowalksi ein sicheres Zeichen des Verfalls ist, dass in der Nachbarschaft immer mehr Asiaten einziehen, die im Hof Hühner schlachten und den Garten nicht in amerikanischer Ordnung halten. Und auf den Straßen machen sich Gangs breit.

Walt war im Korea-Krieg, und die grausamen Kriegserlebnisse haben seine Einstellung gegenüber Asiaten geprägt. Er hat Jahrzehnte bei Ford gearbeitet und sieht mit Verachtung auf den Toyota, den sein Sohn gekauft hat. Die asiatische Großfamilie, die ins Nachbarhaus einzieht, wird von ihm entsprechend mürrisch und mißtrauisch beobachtet. Umso mehr, als der Sohn seinen ganze Stolz, einen alten Ford Gran Torino stehlen will. Aber die bedrohliche Außenwelt der Straßengangs sorgt dafür, dass sich ungewöhnliche Allianzen bilden und Walt sich mit den neuen Nachbarn arrangieren muss.

Amerikanische Vororte scheinen gefährlicher zu sein als ein Kriegsgebiet im Nahen Osten: Schwarze gegen Weiße, Asiaten gegen Hispanics, und mittendrin Eastwood als traditionsverhafteter Amerikaner, der sich mit den neuen Spielregeln nicht abfinden will. Die sich abzeichnenden Konflikte entwickeln sich in eine schön unorthodoxe Richtung. Das Spiel mit Rassismus, Vorurteilen und ethnischen Konflikten, dass jenseits aller political correctness ungewöhnliche Rollenverteilungen erlaubt, erinnert stark an L.A. Crash oder Lakeview Terrace. Allerdings ist der Umgang mit Klischees und Vorurteilen hier nicht immer sehr subtil, Eastwood bringt seinen Punkt auch gerne mal sehr direkt vor. Aber gerade die eher grobschlächtigen Dialoge zwischen grumpy old white man Eastwood und der smarten asiatischen Nachbarstochter (Ahney Her) sind sehr charmant umgesetzt und sorgen für ein paar Lacher in der anfänglich so bedrohlichen Vororthölle. Und es macht großen Spaß, den verbitterten Walt auftauen zu sehen. Was sich zwischenzeitlich fast zu einer eher launigen Komödie zu entwickeln scheint, eskaliert dann schließlich doch zu einem handfesten Drama – die zarten Bande zwischen den Nachbarn werden zerrissen durch den brutalen Bandenterror.

Ein wenig sauer stößt die Botschaft auf, dass man sich und sein Haus in Amerika nur durch eigene Waffen verteidigen kann. In den Schlüsselszenen sieht man Walt mit einem Revolver Gang-Mitglieder in die Schranken weisen, und der Film macht an diesen Stellen keinen Hehl daraus, dass dies die einzige Möglichkeit sei, sich in dieser Gesellschaft zur Wehr zu setzen. Glücklicherweise rettet die Schlußpointe das Ganze vor einer allzu offensichtlichen Agitation für Waffenbesitz.

Verblüffend, dass der Film bei den Oscars komplett ignoriert wurde. Man kann nicht gerade behaupten, dass Eastwood eine große schauspielerische Bandbreite hat, auch hier ist es der knorrige alte Mann, der verbittert durchs Leben schreitet. Aber in dieser Rolle ist Eastwood immer wieder brillant. Produzent, Regisseur und Hauptdarsteller Eastwood hat es sich auch nicht nehmen lassen, beim Titelsong selber mitzusingen (auch wenn die Credits anderes behaupten), was bei seiner krächzigen Stimme allerdings ein wenig unfreiwillig komisch klingt. Auch wenn der von Eastwood mitkomponierte Song ansonsten großartig ist.

Gran Torino, USA 2008 – deutscher Kinostart: 5.03.2009
9/10 Punkte

Eine Antwort auf „Gran Torino“

[…] Wie immer neigt Regisseur Clint Eastwood nicht zu subtiler Story- und Charakterzeichnung, sondern bevorzugt plakative Farben: ob es um Zwangsmaßnahmen in der Psychatrie oder Hinrichtungsszenen geht, wenn er die Wahl hat zwischen feiner Differenzierung oder Dramatik und Emotion, entscheidet er sich immer für letzteres, zum Glück ohne dabei zu platt oder einfältig zu werden und das ganze in Pathos zu ersticken. […]

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