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Filmkritiken

Irina Palm

“Ich bin Irina Palm. Ich bin die Beste”

Der Ausgangspunkt von Irina Palm klingt nach kitschigem Rührstück: Der kleine Olli ist totkrank und nur eine teure Operation im fernen Australien kann ihn retten. Da die Eltern kein Geld haben und die Oma schon ihr Haus zur Finanzierung früherer Behandlungen verkauft hat, entschließt sich die Oma, im Rotlichtviertel Geld zu verdienen, um die Flugtickets nach Australien zu bezahlen.

Glücklicherweise handelt Irina Palm nicht primär vom tränenrührigen Schicksal des totkranken Kindes, sondern von Oma Maggies Erfahrungen im Sexgewerbe: Was als Verzweiflungstat beginnt, entwickelt sich in der Folge zu mehr als nur einer reinen Geldbeschaffung. Maggie, die nichts gelernt hat und für normale Jobs zu alt ist, macht ihre Sache gut, und gewinnt durch ihre erfolgreiche Arbeit als Irina Palm, die Männer mit der Hand befriedigt, auch im “richtigen” Leben mehr Selbstbewußtsein.

An ein paar Stellen sieht es so aus, als wenn die Geschichte eine allzu platte “milieutypische” Wendung nehmen würde: Es kommt zum Streit zweier Bordellbesitzer um die Dienste von Irina, und schließlich erfährt auch Maggies Familie von ihrer heimlichen Tätigkeit. Aber Regisseur Sam Garbarski nimmt dann doch nicht die naheliegenden Wendungen sondern entscheidet sich für eine nicht auf Knalleffekte angelegte Erzählweise, was dem Film sehr gut tut.

Der Soundtrack beschränkt sich auf ein bis zwei Motive, die immer wieder eingesetzt werden – anfangs ganz nett und passend, aber etwas mehr Bandbreite hätte man sich gegen Ende doch gewünscht.

Kameraführung, Licht und Ausstattung haben den Independent-Charme einer europäischen Koproduktion. Hochglanzbilder hätten allerdings auch nicht zum tristen Setting in der englischen Vorstadt oder im heruntergekommenen Rotlichtviertel gepasst.

Marianne Faithfull als Maggie trägt den Film über weite Strecken ganz alleine und verkörpert glaubwürdig die Entwicklung der braven Hausfrau und Witwe aus der Vorstadt, die sich im Rotlichtmilieu durchschlägt. Sie verzichtet auf große Gesten oder dramatische Gefühlsausbrüche, und spielt die Maggie mit einer Ruhe und Reduziertheit, die absolut authentisch wirkt.

Irina Palm, Belgien,Luxemburg,UK,Deutschland,Frankreich 2007 – deutscher Kinostart: 14.07.2007
8/10 Punkte

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